Vom Hybridisierungsmodell zum Kugelwolkenmodell

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Zur Beschreibung und Darstellung von Elektronenpaarbindungen wird im Rahmen des Orbitalmodell in der Regel das sogenannte Hybridisierungsmodell verwendet. Dieses ist aber in der durchgehenden Anwendung für den gymnasialen Grundlagenfachunterricht zu anspruchsvoll.

Im Folgenden wird deshalb zuerst das Prinzip des Hybridisierungsmodells erklärt, dann aber das Kugelwolkenmodell als stark vereinfachtes - aber durchaus brauchbares Modell - eingeführt.


Das Hybridisierungsmodell

Nähern sich zwei Nichtmetallatome, die sich in einer Elektronenpaarbindung verbinden, wirken starke Kräfte:

- Anziehung zwischen den Kernen und den Elektronen des jeweils anderen Atoms

- Abstossung zwischen den Elektronen der beiden negativ geladenen Hüllen und den positiv geladenen Kernen

Durch diese Kräfte werden die s- und p-Atomorbitale räumlich und energetisch so verändert, dass das s-Orbital mit allen 3 p-Orbitalen (sp3-Hybridisierung), oder nur mit zwei p-Orbitalen (sp2-Hybridisierung) - oder auch nur mit einem p-Orbital (sp-Hybridisierung) verschmilzt. Die dadurch neu entstandenen Bindungsorbitale nennt man Hybridorbitale (hybrida (gr): Mischling).

Die gesamte Anzahl Bindungsorbitale bleibt dabei gleich: Es sind immer insgesamt 4 Orbitale - entweder 4 Hybridorbitale - oder eine Kombination von Hybridorbitalen und unveränderten p-Orbitalen.

Achtung: Die Zahl im Namen (t.B. sp3) bezieht sich immer auf die Anzahl p- Orbitale, die beteiligt sind - und nicht etwa auf die Anzahl Hybridorbitale! In der sp3-Hybridisierung gibt es beispielsweise 4 Hybridorbitale

Im Folgenden wird zuerst die wichtigste Art der sp3-Hybridisierung am Beispiel von Kohlenstoff erklärt, dann noch die seltenere sp2- und sp-Hybridisierung.


sp3-Hybridisierung - Beispiel Methan CH4

Ein einzelnes Kohlenstoffatom weist die folgende Elektronenkonfiguration auf: [He] 2s22p2

Energieniveaus und Orbitale eines einzelnen Kohlenstofftoms

Wie man sieht, sind nur zwei Orbitale vorhanden, die einfach besetzt sind (das s-Orbital ist voll und das zweite p-Orbital leer). Da nur einfachbesetzte Orbitale Elekronenpaarbindungen bilden können, müsste bei unveränderten Atomorbitalen das Molekül CH2 entstehen!

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Diese Struktur widerspricht aber allen Eigenschaften und experimentellen Analysen von Methan und entspricht damit nicht der Realität. Die Natur bildet CH4, nicht CH2!

Warum aber liefert das Orbitalmodell nicht die richtige Struktur? Der Grund liegt darin, dass zusätzlich noch die oben erwähnten Kräfte berücksichtigt werden müssen, welche die Form und Energie der Orbitale verändern! Diese Kräfte führen zu einem energiearmen und symmetrischen Zustand - Eben CH4!

Man kann das mathematisch berechnen - wir begnügen uns aber damit, das qualitativ zu beschreiben:

Hat ein Kohlenstoffatom vier Bindungspartner, verschmilzt das s-Orbital mit allen drei p-Orbitalen, wobei vier symmetrische Hybridorbitale entstehen, die gleichmässig um den Kern herum angeordnet sind. Dabei entsteht die bekannte tetraedrische Struktur von Methan:

Energieniveaus und Orbitale eines einzelnen Kohlenstofftoms

Energieniveaus und Orbitale eines einzelnen Kohlenstofftoms

Geometrische Anordnung: tetraedrisch - Bindungswinkel: 109.5° (Tetraederwinkel)

Voraussetzung: Ein sp3-hybridisiertes C-Atom hat typischerweise vier Bindungspartner.


sp2-Hybridisierung - Beispiel Ethen C2H4

In Ethen sind die beiden Kohlenstoffe mit je zwei Wasserstoffatomen und gegenseitig mit einer Doppelbindung verbunden: Jedes Kohlenstoffatom hat somit insgesamt drei Bindungspartner. Da die Anzahl Bindungspartner bei Kohlenstoff jeweils der Anzahl Hybridorbitale entspricht, verschmilzt in diesem Fall das s-Orbital nur mit zwei p-Orbitalen - ein p-Orbital bleibt dabei also unverändert.

Energieniveaus und Orbitale eines einzelnen Kohlenstofftoms

Energieniveaus und Orbitale eines einzelnen Kohlenstofftoms



Bitte beachten Sie, dass sich die beiden p-Orbitale der beiden sp2-hybridisierten Kohlenstoffatome auch überlappen und so ein doppelt besetztes bindendes Orbital binden können!.

Eine solche Bindung besteht aus einem "halben" Orbital oberhalb und einem "halben" Orbital unterhalb der Bindungsachse. Diese Bindungen werden als"pi-Orbitale" bezeichnet vom griechischen Buchstaben für p, während die Bindungen mit Hybridorbitalen als "sigma-Bindungen" bezeichnet werden vom griechischen Buchstaben für s, da solche Orbitale auch aus einem s-Orbial entstanden). In den Darstellungen auf dieser Seite sind die pi-Orbitale rot, die sigma-Orbitale grün.

Eine Doppelbindung enthalt somit nicht zwei gleichwertige Bindungen, sonden eine innere sigma- und eine äussere - schwächere - pi-Bindung. Pi-Bindungen sind schwächer, da die pi-Elektronen weniger stark von den Kernen angezogen werden (Abstand!). Das ist der Grund, dass organische Stoffe mit Doppelbindungen im allgemeinen reaktionsfreudig sind.

Geometrische Anordnung: planar-trigonal - Bindungswinkel: 120°

Voraussetzung: Ein sp2-hybridisiertes C-Atom hat typischerweise drei Bindungspartner (und eine Doppelbindung)


sp-Hybridisierung - Beispiel Ethin C2H2

In Ethin sind die beiden Kohlenstoffe mit nur je einem Wasserstoffatomen und gegenseitig mit einer Dreifachbindung verbunden: Jedes Kohlenstoffatom hat somit insgesamt nur zwei Bindungspartner. In diesem Fall verschmilzt das s-Orbital nur mit zwei p-Orbitalen - ein p-Orbital bleibt dabei also unverändert. Dabei entstehen zwei Hybridorbitale und die beiden p-Orbitale bleiben unverändert

Energieniveaus und Orbitale eines einzelnen Kohlenstofftoms

Energieniveaus und Orbitale eines einzelnen Kohlenstofftoms


Wie bei Ethan können sich natürlich auch in diesem Fall die p-Orbitale zu pi-Bindungen überlappen. Diese liegen senkrecht aufeinander und führen zu einer hohen Reaktivität von Alkinen (Kohlenstoffverbindungen mit mindestens einer Dreifachbindung).

Geometrische Anordnung: linear - Bindungswinkel: 180°

Voraussetzung: Ein sp2-hybridisiertes C-Atom hat typischerweise zwei Bindungspartner (und zwei Doppelbindungen)



Zusammenfassung: Hybridisierung

Energieniveaus und Orbitale eines einzelnen Kohlenstofftoms


Weiterführende Quellen

sp3-Hybridisierung bei Kohlenstoff – Ein SimpleClub-Video zur kurzen Einführung ins Prinzip der Hybridisierung

Hybridization Theory – Eine ausführliche, verständliche und sorgfältig, gestaltete Einführung ins Hybridisierungsmodel (englisch)



Das Kugelwolkenmodell

Eine Vereinfachung des Hybridisierungsmodells

Das Hybridisierungsmodell ist zwar ein sehr leistungsfähiges Modell - aber wie bereits erwähnt - für das Grundlagenfach Chemie in der Schweiz zu anspruchsvoll. Ein einfacheres Modell, das auch in Sekundarschulen bzw. Bezirksschulen verwendet wird, ist das Kugelwolkenmodell

Das Kugelwolkenmodell entspricht im wesentlichen der Vorstellung, dass alle Nichtmetalleatome grundsätzlich sp3-hybtridisiert sind, d.h. in der Valenzschale vier Kugelwolken aufweisen, die tetraedrisch um den Kern gruppiert sind.

Diese Kugel- oder Elektronenwolken entsprechen im Wesentlichen den sp3-Hybridorbitalen. Jedes Atom hat also vier Kugelwolken - und damit insgesamt 4 x 2 = 8 Valenzelektronen.

Die Vereinfachung des Kugelwolkenmodells besteht also gewissermassen darin, dass die sp- und sp2-Hybridisierung ignoriert werden. Dies ergibt zwar Ungenauigkeiten für Doppelbindungen, mit denen es sich aber leben lässt.

Im Folgenden eine Übersicht der Darstellung von Atomen gemäss Kugelwolkenmodell:

Das KWM im Periodensystem


Vergleich: KWM - Orbitalmodell

Orbitalmodell Kugelwolkenmodell
gleich • Unschärfebeziehung: Elektronen als Wellen • Unschärfebeziehung: Elektronen als Wellen
• Energie- und Pauliprinzip, Hundsche Regel • Energie- und Pauliprinzip, Hundsche Regel
• Schalen der Atome: K, L, M, N usw. • Schalen der Atome: K, L, M, N usw
verschieden • Hybridisierung • 4 Elektronenwolken
• Berücksichtigung aller Schalen und Unterschalen Betonung der Valenzschalen, keine Unterschalen


Grenzen des Modells

Bindungen der 1. und 2. Periode können mit dem Kugelwolkenmodell gut beschrieben werden, ab der 3. Periode nur eingeschränkt, da diese Atome auch Elektronen in den d- und f-Unerschalden aufweisen. Aus diesem Grund ist das Modell auch nicht geeignet für Nebengruppen: Diese haben ja alle grundsätzlich mit 2 gleich viele Valenzelektronen.



Die Lewisformel

Mit der Lewisschreibweise zeigt man auf einem einfachen weg auf, wieviele Valenzelektronen ein Atom hat, und weiterführend wieviele Bindungen zwischen Nichtmetallatomen in Molekülen gemäss Kugelwolkenmodell entstehen können. Dabei werden die einfach besetzten Elektronenwolken durch einen einen Punkt und die doppelt besetzten mit einem Strich dargestellt.


Hier die Lewisschreibweise der Hauptgruppenelemente der ersten drei Perioden:


Energieniveaus und Orbitale eines einzelnen Kohlenstofftoms


Bindung von zwei Cl-Atomen zum Cl2 - Molekül:


Cl.gif


Bindung von H2O:


H2o.gif


Man kann statt Strichen auch zwei Punkte schreiben:

Lewis3.gif

Quellen